Sonntag, 27. August 2017

Rosa Brille


Hei!
Eine gute Woche ist nun vergangen und wieder gibt es einiges zu erzählen. Natürlich ist noch alles voller erster Eindrücke, alles irgendwie spannender, perfekter als in der Schweiz.
Angefangen bei der Schule:
Ich glaube, es ist allgemein bekannt, dass Finnlands Schulsystem eines der besten weltweit ist. Und diesen Titel hat es sich zu 100% verdient.
Meine Schule hier ist winzig - wir sind etwas um die fünfzig Schüler und zehn Lehrer. Das heisst, alle kennen sich, alle reden miteinander, alle scherzen miteinander. Denkt eher an eine riesige Familie als an eine Schule.
Eine Lektion dauert 60 Minuten, gefolgt von einer 15 minütigen Pause. Mittagessen gibt es um elf und ein normaler Schultag dauert maximal von 08:45 bis 16:00 (meine sind meist kürzer).
Die Lehrer spricht man mit Vornamen an und in fast allen Lektionen kümmert es niemanden, was man während des Unterrichts macht. Die meisten sind am Handy, zeichnen irgendetwas oder starren in die Leere. Es wird extrem viel Wert auf Eigenverantwortung gelegt, wovon sich das schweizer Schulsystem eine grosse Scheibe abschneiden könnte.
Die Fächer kann man hier grösstenteils selbst wählen und vor allem die Stundenpläne von uns Austauschschülern sind ziemlich locker ausgelegt.
Noch verstehe ich in den meisten Fächern herzlich wenig, vor allem Biologie und Philosophie sind ein einziges Kauderwelsch, aber ich bin jedes mal stolz, wenn ich eine Matheaufgabe ohne Hilfe von Google Translate zu lösen im Stande bin.

Gestern fand in Levi ein Treffen von einigen Austauschschülern, die in Lappland leben, statt. Wir waren vier Austauschschüler, zusammen mit unseren Gastfamilien oder Teilen davon. Unsere Gasteltern haben dann für einige Stunden über ihre Aufgaben als Gastfamilien gesprochen (die Gastgeschwister haben sich solange zu Tode gelangweilt), während wir fünf loszogen, um Levi zu erkunden. Wir fünf heisst: Die Chilenen Diego und Pablo (ja genau, das ist auch ein Austauschschüler aus Muonio - wir haben uns bereits gut angefreundet), der Türke Süleyman, Inka, die als AFS Volunteer tätig ist, und ich.
Levi erinnert mich in jeder Hinsicht an ein kleines schweizer Bergdorf. Die Häuser sehen ein bisschen aus wie Chalets, den Berg kann man auf einer Rodelbahn runtertrudeln und ich habe sogar einen InterSport entdeckt.
Nach dem Treffen gingen Pablo, seine Gastschwester Sini, Outi, Brita und ich in Levi bowlen. Wer mich kennt, kann sich vorstellen, dass ich nicht gerade brilliert habe, aber Spass hat es auf jeden Fall gemacht.

Und heute habe ich meine erste kleine Wanderung unternommen. Eigentlich hat es den Namen Wanderung gar nicht verdient, aber schön war es trotzdem. Ich war auf Olas (oder in Olas??), ein kleines Skigebiet, zehn Autominuten von Muonio entfernt. Auch wenn der Himmel bedeckt war (wie die ganze Woche schon... ja, das Wetter lässt zu wünschen übrig), war die Aussicht auf Finnlands Wälder und Seen atemberaubend.

Ausserdem habe ich bereits einige Freizeitaktivitäten entdeckt: Zwei Mal die Woche besuche ich eine Tanzgruppe (die zwar nicht unbedingt meinen Stil tanzt, dafür lerne ich jedes Training viel Neues), ein Mal pro Woche gehe ich in eine kleine Zirkusschule und fast täglich erkunde ich Muonio mit Lyyli (was mehr Zeit als gedacht in Anspruch nimmt).

Nächstes Wochenende findet das Post-Arrival Camp in Oulu statt. Dann werde ich wahrscheinlich schon wieder viel zu berichten haben...

linnunpönttö [Vogelhäuschen]


Ja, auch in Finnland wimmelt es nur so von diesen typisch schwedischen Holzhäuschen
Olas

Woran erkennt man Austauschschüler? Richtig, sie finden Rentiere faszinierend und nicht nervig

und nochmals Olas


Heippa!
Fiona

Sonntag, 20. August 2017

Ankunft und erste Eindrücke



Hei!

Nun bin ich also in Finnland und ich weiss gar nicht, wo ich mit erzählen beginnen soll.
Vielleicht am Anfang.
Etwa zwölf Stunden nachdem ich mein trautes Heim in Zürich am Freitagmorgen verlassen hatte (und auf dem zweieinhalbstündigen Flug nach Helsinki mein Französisch «améliorer» konnte, da doch noch ein zweiter Schweizer aus Sion mit AFS nach Finnland ging 😊), kam ich also in Muonio an.
Die ersten Eindrücke: Wald, Wald, Wald und zwischendurch immer wieder Seen, die vor allem aus dem Flugzeug wunderschön in der Sonne um die Wette glitzerten. Ein atemberaubender Anblick.
Ich wusste ja, dass es in Finnland viel Wald gab, aber nie hätte ich gedacht, dass dieses Wort praktisch ganz Finnland beschreibt. Auf der einstündigen Heimfahrt sah ich ungelogen nur Bäume links und rechts vom Strassenrand. Und Rentiere! Ein Exemplar ist sicher eine Minute gemütlich vor unserem Auto her spaziert, bevor wir es überholt haben. Da ist es langsam in den Wald getrottet.

Ich fühle mich bereits unheimlich wohl bei meiner Gastfamilie. Der Eindruck aus den vielen Mails hat definitiv nicht getäuscht! (Sogar der Hund hat mich richtig herzlich aufgenommen.)
Noch verstehe ich noch so gut wie kein Finnisch, aber ich merke schon jetzt, nach gerade mal zwei Tagen, wie die Sprache vertrauter wird.
Mit viel Mühe habe ich begonnen eine finnische Winnie the Pooh Ausgabe zu übersetzen und es hat erstaunlich gut funktioniert (natürlich nur dank Google Translate und einem kleinen Wörterbuch).

Ich habe schon viel zu viel in diesen beiden Tagen erlebt, als dass ich alles aufschreiben könnte, also hier nur die wichtigsten Ereignisse und Eindrücke:
Am Samstag habe ich meine Gastgrosseltern kennengelernt. Die wohnen im selben Dorf, nur ein paar Häuser weiter. Es war ziemlich lustig, da sie kein Englisch konnten und ich kein Finnisch, aber sie sind unheimlich lieb.
Am Abend ist dann Sonjas Freundin Iita vorbeigekommen. Oft hört man, Finnen seien verschlossen und still, aber bisher entpuppt sich dieses Klischee als ganz falsch. Ich habe selten so viel gelacht an einem Abend (vor allem wenn man bedenkt, dass ich diese Menschen erst seit wenigen Stunden kenne).
Heute sind der chilenische Austauschschüler mit Familie, Iita und meine Nachbarin Elli zu besuch gekommen. Zu diesem Anlass haben Sonja und ich Korvapuusti gebacken. Das heisst übersetzt «Ohrfeige» und es sind im Prinzip Zimtschnecken. Sehr leckere Zimtschnecken.

Einen Teil von Muonio habe ich bereits gesehen. Auch wenn das Dorf nur wenige Einwohner hat, sind es weite Distanzen, da die Häuser ziemlich weit auseinanderstehen (dazwischen sind immer wieder – Überraschung – Bäume).

Morgen beginnt die Schule für mich und noch weiss ich weder welche Fächer ich haben werde, noch wie lange ich jeweils Schule habe, aber das werde ich wohl genügend früh erfahren.

schlechte Qualität aus dem Flugezugfenster

Flughäfen in Lappland sind winzig

Mit Lyyli auf Erkundungstour

Korvapuusti


Nähdään pian!
Fiona

Donnerstag, 3. August 2017

Die letzten Tage

Hei!
Heute in zwei Wochen ist es also so weit. Ein komisches Gefühl, dass ich den nächsten Beitrag in Finnland hochladen werden. Ich hatte immer das Gefühl, wenn es nur noch wenige Tage und Wochen sind, werde ich realisieren, was es heisst, für ein Jahr alles hinter mir zu lassen. Familie, Freunde, Hobbys, Gewohnheiten, den normalen Tagesablauf, den man sich seit langem gewohnt ist. Aber weit gefehlt. Von so etwas wie "realisieren" und "begreifen" bin ich weit entfernt. Da ist nur dieser riesen Klumpen Vorfreude in meinem Magen, der mit jedem Tag grösser und grösser wird.

Leider bin ich die einzige Schweizerin, die dieses Jahr mit AFS nach Finnland reist. Allerdings werde ich nicht die einzige Austauschschülerin in meinem Gastdorf sein, was mich unheimlich freut. Wir sind zu dritt, ein bunter Kulturmix bestehend aus der Koreanerin Jinah, dem Chilenen Pablo und mir. Jinah werde ich bereits auf dem Hinflug kennenlernen, da wir den gleichen Anschlussflug von Helsinki nach Kittilä (ein Flughafen 70km von Muonio entfernt) haben.

An dieser Stelle einige Fakten zu meinem Gastdörfchen:
1. Das Lukio (die finnische Version des Gymnasiums), das ich besuchen werde, liegt nur 1km von meinem Zuhause entfernt (was einige ziemlich überrascht hat. Die normale Reaktion war: "Waaaas i dem Dörfli hets e Schuel?!"). Dieses Lukio bietet unter anderem ein Skiprogramm an. Das ist, so weit ich weiss, eine Art Förderprogramm für Langläufer.
2. Das ist ziemlich praktisch, denn nicht weit von Muonio entfernt liegt der Pallas-Yllästunturi Nationalpark, in dem 250km Langlaufloipen zur freien Verfügung stehen :-))
3. Neben typischem Wintersport gibt es noch einige andere Freizeitaktivitäten in Muonio: Kajak fahren auf dem Grenzfluss Muonionjoki, Theater, eine Zirkusschule, diverse Sportgruppen, ...
4. Die nächste wirkliche Stadt ist Rovaniemi (wo offiziell der Weihnachtsmann lebt) und liegt 230km Autofahrt entfernt (zum Vergleich: das ist etwa die Luftlinie Zürich-Genf)
5. In Muonio selbst gibt es ein schweizer Kaffee, das von zwei Schweizern geführt wird und unter anderem auch einige schweizer Produkte verkauft (so zum Beispiel Lindt Schokolade, Caotina, Rüeblichueche und Bündner Nusstorte). Ein Stück Heimat nur wenige Meter entfernt.

In den verbleibenden Tagen werde ich mich nun langsam ans Packen machen. Einiges werde ich auch noch in Finnland selbst kaufen (zum Beispiel Winterkleider... In Muonio kann es bis zu -40°C werden!). Handgepäck und Koffer stehen bereit, es geht "nur noch" darum, sich zu überlegen, was mit muss und das dann irgendwie unterzubringen... Wird schon schiefgehen.
Nähdään pian!
Fiona